Geschichte wird gemacht. Immer wieder aufs Neue – durch Erzählungen, Interpretationen und Erinnerungen. Vergangenes bleibt auch, wenn es lange zurückliegen mag, immer auch aktuell und ein Feld gesellschaftlicher Auseinandersetzungen.
Wenn über Geschichte gestritten wird, wird stets die Frage nach den gegenwärtigen Verhältnissen mitgestellt. In Serbien, das in den vergangenen 25 Jahren vielfältige Umbrüche erlebte, ist der Diskurs über den Zweiten Weltkrieg bestimmt durch das Spannungsverhältnis zwischen der jugoslawischen Gedenkpolitik, dem neoliberalen Kapitalismus und dem gegenwärtigen Nationalismus.
Waren die Tito-Partisanen im sozialistischen Jugoslawien noch Helden, wandelte sich der Blick auf das antifaschistische Erbe mit dem blutigen Zerfall des Vielvölkerstaats. In der Arbeit von Roland Zschächner werden drei Beispielen von Praxen des Erinnerns und Formen des Gedenkens an den Zweiten Weltkrieg in Serbien analysiert. Sie sind zwischen Individuum und Gesellschaft sowie zwischen Sozialem und Kulturellem verortet. Dabei wird die Perspektive sowohl auf staatliche wie auch auf nichtstaatliche Akteure, den Partisanen-Widerstand wie die Shoah gelegt. Außerdem wird die Erinnerungs- und Gedenkpolitik im sozialistischen Jugoslawien, das seine Legitimation aus der erfolgreichen Befreiung ableitete, dargestellt. Auf Grundlage einer mehrmonatigen Feldforschung werden die Organisation „Savez antifašista Srbije“, das Vorhaben der Neuinterpretation des 27. März 1941 durch die serbische Regierung sowie die Belgrader Initiative „poseta Starom sajmištu“ untersucht