Mark Twains Huck Finn ist lange Zeit die Ausnahme; dann werden Texte, in denen Kinder-Erzähler als Vermittler ihrer eigenen Geschichte auftreten, zahlreicher. In der erzählenden Literatur des ausgehenden 20. und beginnenden 21. Jahrhunderts ergreift das Kind immer häufiger das Wort. Im Fokus dieser Untersuchung stehen Romane, in denen eine besonders komplexe strukturelle und hermeneutische Beziehung zwischen Autor, Kinder-Erzähler und Rezipient aufgebaut wird. Die Arbeit nähert sich solchen kindlichen Erzählern schrittweise an: Zunächst werden (literatur-)wissenschaftliche und literarische Diskursräume ausgelotet, in denen dem Kind eine entscheidende Rolle zukommt und die unser Denken vom ‚Kindsein‘ bis heute bestimmen. Zahlreichen Beispielen aus der internationalen Literatur folgt eine eingehende Betrachtung dreier Romane des italienischen, amerikanischen und deutsch-rumänischen Kulturraums. An Texten von Niccolò Ammaniti, Jonathan Safran Foer und Aglaja Veteranyi werden ästhetische und narrative Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. Auf scheinbar naiv-direkte Weise erzählen die Figuren Befremdliches, Verstörendes und Unfassbares wie Krieg, Terror und Missbrauch. Die Arbeit untersucht die Inszenierungsformen einer solchen Erzählhaltung, um deren poetologische Bandbreite und gesellschaftliche Dringlichkeit aufzuzeigen.