Eine Theoretische Psychologie – nach dem Vorbild der Theoretischen Biologie oder Physik – existiert nicht. In der Psychologie ist die Vielfalt der Theorien, auch der Wissenschaftstheorien, unübersehbar.
Die Recherchen zu den herausragenden Kontroversen erfolgen auf drei Ebenen: Die hauptsächlichen Strömungen und Richtungen der Psychologie werden hinsichtlich ihrer Postulate und Prinzipien, d.h. den Positionen der Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie untersucht. In den eigentümlichen Diskussionen über Krise und Erneuerung der Psychologie treten typische Kontroversen hervor und führen zu soziologischen und psychologischen Fragen. Inhaltsanalytische und scientometrische Methoden sowie Reanalysen von repräsentativen Umfragen geben Hinweise, wie verbreitet bestimmte Kontroversen und Trends sind.
In einer Systematik der Schlüsselkontroversen sind zu unterscheiden: ontologische (und metaphysische) Kontroversen; erkenntnistheoretische (und kategorial-analytische) Kontroversen; wissenschaftstheoretische und methodologische Kontoversen; außerdem gibt es in der Forschung und Praxis Auseinandersetzungen über adäquate Strategien und die Gewichtung von Kriterien und Effekten.
Die Untersuchung zeigt, dass eine konsistente Grundlage für eine Meta-Theorie fehlt – und auch nicht zu erwarten ist. Demnach besteht die Aufgabe der Theoretischen Psychologie darin, die Gründe darzulegen, weshalb eine Vereinheitlichung unmöglich ist. – Die Systematik der Schlüsselkontroversen kann zum Diskurs über die kategorial verschiedenen Bezugssysteme und ihre Meta-Relationen sowie zum notwendigen Perspektiven-Wechsel beitragen.
Die Auffassung der Theoretischen Psychologie als Systematik und Diskussion der Schlüsselkontroversen führt konsequent zu Anforderungen an die Methodologie, an die Didaktik und die wissenschaftliche Ausbildung.