Selbstkorrektur und freiwilliger Widerruf sind ebenso unbequem wie selten - Die Literatur macht sie zur Kunst.

Seit Platon kennt die Dichtung die Palinodie als Form des poetischen Widerrufs. Sie erscheint vor allem deswegen bemerkenswert, weil sie im Gegensatz zu Widerrufsstrafen nicht erzwungen ist, sondern auf Freiwilligkeit beruht. Wieso lässt man sich auf Selbstkorrekturen ein, was leisten sie poetologisch, epistemisch und ethisch? Der Essay verfolgt diese Fragen vor dem Hintergrund der antiken Muster aus germanistischer Perspektive vom 17. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Die Schreibweisen, die Dichtung im Wechselspiel von Irrtum, Missverständnis und Selbstkorrektur hervorgebracht hat, begründen dabei eine Kunstform, die gleichermaßen ästhetisch fasziniert und hermeneutisch lehrreich ist.