Wie verhält es sich eigentlich mit der These, es sei der deutschen Jugendbewegung primär um Selbsterziehung gegangen und sekundär um Sozialpädagogik? Wieviel Nietzsche war drin? Und wieviel Hitler? Oder steckte in dieser alten Flasche gar schon der Geist der 68er? Spannende Fragen – für ein spannendes Buch.

Die zugrundeliegende These des Buches ist einfach: Die mit dem Wandervogel anhebende und mit der Hitlerjugend einen fatalen Höhepunkt erreichende deutsche Jugendbewegung hat, als ganze und aufs Ganze gesehen, leider den Lernprozess nicht nachvollzogen, der sich bei Friedrich Nietzsche zwischen seinem 27. und 34. Lebensjahr (1872–1879) ereignet hat. Dieser Lernprozess lässt sich vom Ergebnis her als Wandel vom völkischen Denken (à la Richard Wagner) hin zum eigenen, kosmopolitischen Ansatz beschreiben und gelangt in Nietzsches – gegen Wagner gerichteter – Losung (von 1879) zum Ausdruck: „Gut deutsch sein heisst sich entdeutschen.“ Dass diese Losung nicht auch die der Jugendbewegung wurde – wie in der Linie der Meißnerformel vom Oktober 1913 hätte naheliegen können –, macht das zentrale Dilemma der Jugendbewegung aus und erklärt den Titel des Buches. Er soll zum Ausdruck bringen, dass die Jugendbewegten es offenbar vorgezogen haben und bis zum heutigen Tag vorziehen, lieber Mythos zu sein als gar nicht zu sein.