Trotz zahlreicher musikwissenschaftlicher Arbeiten hat die Vorstellung einer plötzlichen Wiederentdeckung J. S. Bachs durch F. Mendelssohn Bartholdy im Jahr 1829 beharrlich das kulturelle Gedächtnis bestimmt. Diese Studie setzt sich kritisch mit dieser Art von musikhistoriographischer und -wissenschaftlicher Wissensproduktion auseinander und definiert auf der Basis umfassender Quellenstudien und -kritik den Begriff der Rezeption neu, nämlich im Sinne einer Vielfalt kultureller Praxis. Denn die frühe Rezeption J. S. Bachs zwischen 1750 und 1829 fand auf vielfältige und distinkte Art und Weise in Berlin statt: Bachs Musik war Experimentierfeld musikalischer Praxis in häuslich-intimer Atmosphäre, musikalisches Vermittlungsprogramm im privaten Bürgerhaus und Diskussionsstoff in Briefen.


Evelyn Buyken zeichnet ein plastisches Bild dieser oft nur marginal behandelten frühen Phase der Bach-Rezeption. Im Fokus stehen die unterschiedlichen Rezeptionspraktiken, ihre Trägerinnen und Träger sowie die Räume und Medien, in denen die Musik Bachs nach 1750 aufgeführt und besprochen wurde. Mikrostudien zu Lea Mendelssohn Bartholdy und Sara Levy nehmen den häuslich-familialen Musikraum besonders in den Blick.