Was wissen wir heute eigentlich über das alltägliche Leben der einfachen Bewohner in den böhmischen Städten in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges, über ihre Gedanken, Träume und Sehnsüchte? Während die Politik- und Militärgeschichte dieses längsten Kriegskonflikts in der Frühen Neuzeit in Tschechien ein wichtiges Thema Historiografie war und bleibt, steht die Problematik des Alltags in den Städten und auf dem Lande bisher abseits.°°Michel Stüeler (1583–1656), ein Gerber aus der böhmischen Stadt Graupen (tsch. Krupka), führte zeitlebens ein Tagebuch, das in großen Teilen als Abschrift erhalten ist. Damit überlieferte er eine einzigartige Informationsfülle zum Alltag eines kleineren Ortes, die von anderen böhmischen Städten für diesen Zeitraum kaum zur Verfügung steht. Jan Kilián stellt hier die Biographie Stüelers vor, der nicht nur ein scharfsinniger Beobachter und Protokollant der Ereignisse, sondern auch Träger vieler sozialer Rollen war. So tritt er z. B. als Untertan, Beamter oder Bergmeister auf, aber auch als Vater und Ehemann, Chronist und Kriegsopfer, Gerber und Landwirt, Gläubiger oder Sterblicher.°°