Als einer der strategischen Köpfe der frühen Expansionsphase des Bayer-Konzerns hat Henry von Böttinger die ersten Jahrzehnte der Farbenfabriken Bayer maßgeblich geprägt. Seine Persönlichkeit als Unternehmer und Wirtschaftsbürger ist allerdings bisher von der Wissenschaft kaum berücksichtigt worden, denn er stand lange im Schatten bekannter Bayer-Unternehmer wie Carl Duisberg. Die Biografie trägt wesentlich zur Erweiterung der Kenntnisse über die ersten Jahrzehnte der Farbenfabriken Bayer und deren internationale Expansion bei und fokussiert auf die verschiedenen Antriebskräfte, die von Böttinger prägten und leiteten. Anhand der Kapitaltheorien Pierre Bourdieus wird das enorme wirtschaftliche Kapital von Böttingers und der daraus erwachsenen Kapitalsorten anschaulich dargestellt. Sein Wissenschaftsengagement und sein Einsatz für eine industrienahe Forschung waren außergewöhnlich.
Josef Wilhelm Knoke analysiert von Böttingers Rolle als Akteur in Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft. Ob Globalisierung, Lobbyismus oder Korporatismus, überall wird sein umfangreiches Netzwerk deutlich. Besonders von Böttingers führende Rolle bei der institutionellen Verzahnung von Wissenschaft, Technik und Industrie ergibt ein plastisches Bild der Methoden des Lobbying im späten 19._Jahrhundert. Seine weitgestreuten Kontakte bis in allerhöchste Kreise und sein ausgeprägtes Wissenschaftsinteresse haben ihn zu einem Begründer des deutschen Wissenschaftsstandortes und zum Doyen der Industrieforschung werden lassen