Die Gewährung von Beurteilungsspielräumen („margin of appreciation“) ist in der Praxis des EGMR unentbehrlich, da die Europäische Menschenrechtskonvention die Entwicklung eines einzigen Verständnisses von Menschenrechten für alle Staaten nicht vorsieht. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Spielräume der Staaten nicht unbegrenzt sein können. Die Herausforderung liegt darin, den erforderlichen Ausgleich zwischen der Souveränität der nationalen Autoritäten und dem einheitlichen internationalen Menschenrechtsschutz zu finden.
Diese Schwierigkeit wird anhand der Prinzipientheorie analysiert. Hier stellt sich die Frage, wie eine internationale Abwägung einschließlich der Souveränität oder der Kompetenz nationaler Autoritäten als formelles Prinzip geschaffen werden kann. Im Zuge von Rekonstruktionen des „margin of appreciation“ anhand der Anwendung verschiedener Modelle formeller Prinzipien entwickelt die Autorin in einer empirischen Fallstudie eine Antwort auf diese Frage.