Träume sind ein singuläres und dennoch kollektives Zeugnis ihrer Zeit. In diktatorischen Regimen wird ihre existentielle Dimension besonders deutlich. Durch die Beschäftigung mit Träumen tritt eine unerschütterliche Form der Subjektivierung zu Tage. Sich im Gewaltraum des Lagers seiner Träume zu erinnern, sie aufzuschreiben und über sie nachzudenken, ist ein Akt des Widerstands.
Rudolf Leonhard, Kommunist und Jude, war von 1939 bis 1943 in Südfrankreich interniert. Er führte ein Traumtagebuch, legte sogar Bruchstücke zu einer materialistischen Traumtheorie vor. Seinen bislang unveröffentlichten Entwürfen zum »Traumbuch des Exils« wohnt eine enorme soziale und politische Kraft inne. Ihr poetisch-philosophisches Denkpotential entfaltet sich im Modus des Vorläufigen, Provisorischen, Prozessualen. Die Entwürfe gewähren Einblick in einen einzigartigen Traum-Nachlass.