Die Faszination, welche Jakob Böhmes Werk auf Zeitgenossen und spätere Leser ausübte, lässt sich nach dem Muster der Verirrung in einem Labyrinth beschreiben, in das man sich gerade genug hinein-begeben hat, um sich noch zu erinnern, dass die verschlungenen Wege einem Muster folgen sollten. Man darf hoffen, irgendwann den Ausweg zu finden – oder zum Ausgangspunkt zurückzukehren. Den Ariadnefaden allerdings hatte man vergessen festzubinden, denn anfangs erschien doch alles noch recht übersichtlich …
Da sich die Orientierung in den Schriften schwierig gestaltete, mystifizierten viele Zeitgenossen deren Autor. Man erklärte das stete Sich-Versperren von Zugängen als bedingt durch den göttlichen, durch Inspiration vermittelnden Gehalt, bevor man bald zweihundert Jahre später begann, sich über die mangelnde Systematik der Präsentation offen zu beklagen. Schließlich legte man die Schriften beiseite – man darf sie lieben, begreifen wird man sie nicht. Einfach deshalb, weil sie in sich widersprüchlich, vielschichtig, in stetiger Re-Formulierung befindlich und im Wachsen begriffen, also schlicht nicht als ein Ganzes und schon gar nicht als ein System zu verstehen seien.
In die Schriften Böhmes einführen zu wollen, müsste also als ein ganz und gar unmögliches Unterfangen erscheinen. Und doch verspricht ihr zentraler Lehrsatz, nämlich, die göttliche Sophia biete dem Menschen einen Schlüssel zur Erkenntnis der Ordnung all dessen, was je geworden ist, eine Perspektive: Nach der Methode der schaffenden Weisheit zu verstehen sollte Böhmes Anliegen gewesen sein; sie gilt es aufzufinden.