Der Briefwechsel der Duisburger Familie Kaufmann ist ein einzigartiges zeitgeschichtliches Dokument. Im Zentrum stehen der Schriftsteller Walter Kaufmann (1924-2021) und seine Eltern, der Rechtsanwalt Sally Kaufmann und dessen Frau Johanna. Nach dem Novemberpogrom von 1938 bringen die Eltern ihren Sohn mit einem Kindertransport nach England in Sicherheit. Regelmäßig schreiben sie ihm fortan Briefe aus Duisburg. Diese Briefe und Karten handeln von der Sorge um ihren Sohn, aber auch von der zuversichtlichen Erwartung auf ein baldiges Wiedersehen mit ihm. Sie handeln zugleich von der Hoffnung, mit ihrem Sohn in einem anderen Land noch einmal neu beginnen zu können, eine Hoffnung, die mehr als vier Jahre währt, doch am Ende zerstört wird. Als Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde wird Sally Kaufmann von den NS-Machthabern gezwungen, die Jüdische Gemeinde seiner Heimatstadt Duisburg und ihre Mitglieder „aufzulösen“, um selbst mit dem letzten Deportationszug über Theresienstadt in das Vernichtungslager Auschwitz verschleppt zu werden. Sally und Johanna Kaufmann werden 1944 in Auschwitz ermordet. Walter Kaufmann verwahrt die Briefe seiner Eltern acht Jahrzehnte lang: in England, im australischen Exil und schließlich in Berlin, wo er sie zuletzt der Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz übergibt. Mit der Edition, bearbeitet vom Duisburger Historiker L. Joseph Heid, werden die Briefe aus den Jahren 1939 bis 1943 erstmals öffentlich zugänglich gemacht und erläutert. In einer umfangreichen Einleitung skizziert Heid die Familiengeschichte von Walter, Sally und Johanna Kaufmann und beschwört am konkreten Fallbeispiel „das Grauen der Nazizeit herauf, die Zeit der Peitsche und der Galgen, die Zeit, in der die Judenheit Deutschlands, die Judenheit Europas aufs tödlichste bedroht war.“ (W. Kaufmann)