Die Abgrenzung von staatlichen und tariflichen Regelungsbefugnissen wird in Deutschland bereits seit den 1960er Jahren diskutiert. In jüngerer Zeit wurde die Problematik im Rahmen der 2008/09 ausgebrochenen Finanz- und Wirtschaftskrise und der damit einhergehenden Eurokrise virulent. Im Interesse eines effektiven Krisenmanagements erlies der Unionsgesetzgeber ein umfangreiches Legislativpaket, das die Überwachung und Koordinierung der mitgliedstaatlichen Wirtschaftspolitiken intensivierte. Durch Implementierung des Europäischen Stabilitätsmechanismus wurden den Krisenländern zudem unter strengen Auflagen finanzielle Hilfen gewährt. Die in sog. Memoranda of Unterstanding konkretisierten Auflagen schrieben für die einzelnen Mitgliedstaaten ua. Arbeitsmarktreformen vor, die im hoch verschuldeten Griechenland zu einer Umgestaltung des nationalen Tarifvertragssystems führten. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund untersucht die vorliegende Arbeit, ob die kriseninduzierten Arbeitsmarktreformen an den Unionsgrundrechten zu messen sind. Zu erörtern ist im Anschluss, ob die betreffenden Maßnahmen mit dem Unionsgrundrecht auf Kollektivverhandlungen und Kollektivmaßnahmen vereinbar sind. Die geschilderten Problembereiche sind auch für das deutsche Recht bedeutsam, schon weil die Tarifvertragssysteme beider EU-Mitgliedstaaten historisch auf gemeinsamen Prinzipien und Wertmaßstäben basieren.
Die Dissertation erhielt den Preis der Freien Universität Berlin für die beste Dissertation des akademischen Jahres 2016/2017.