Das thermische Material erscheint vor dem Hintergrund realer Kunstentwicklung und traditioneller philosophischer Ästhetik (Kant, Hegel, Warburg, Adorno) denkbar ungeeignet für die künstlerische Verwendung: Zu unerheblich mutet das expressive Potential aufgrund geringer Formbarkeit an und allzu sehr erschwert die Unmittelbarkeitswahrnehmung durch die Haut den Transfer ins Ideelle, Geistige oder Metaphorische. Die Studie zeigt hingegen, dass der Bruch mit dem Visualitätsparadigma eine Reihe von unterschiedlichen Aneignungsstrategien des Thermischen hervorgebracht und zu funktionsvariabler Verwendung im ästhetischen Gesamtzusammenhang geführt hat: illustrative, affektive, indexikalische, mythische, utopische, sinnlichkeitsschulende, assoziative und kritische Funktion werden im Kunstwerk zur Geltung gebracht. Trotz der semantischen Verfügbarmachung zeigt das thermische Moment eine Widerständigkeit gegen die Intellektualisierung, was eine tiefergehende Kenntnisnahme durch die Kunstwissenschaft und Kunstkritik bisher verhindert hat. In zwei historischen Exkursen zur Romantik und zum Ästhetizismus um 1900 wird die These vertreten, dass als Voraussetzung für thermo-künstlerische Wahrnehmung ein auf Sinnlichkeit orientiertes Subjekt angenommen werden muss. Allerdings genießt dieser Subjekttypus in der Tradition einer auf Reflexion ausgerichteten Kunstphilosophie keine besondere Wertschätzung. Insofern ist die Studie auch das Plädoyer für einen neuen Ästhetizismus.