Die anthropologischen Arbeiten von Claude Lévi-Strauss begleiteten und prägten eines der wichtigsten Wissenschafts- und Weltverständnisse des 20. Jahrhunderts, den Strukturalismus. Seither jedoch gehen aus Anthropologie und Ethnologie, die zudem massiver Kritik ausgesetzt sind, nur meist blasse oder hochspezielle Studien hervor.

Mit Eduardo Viveiros de Castro ändert sich das. Sein Hauptwerk »Die Unbeständigkeit der wilden Seele« lässt eine philosophische Kritik des Universalismus entstehen, die sich wegen der Strenge und Genauigkeit ihrer ethnographischen Analysen nicht in den bekannten Klischees verheddert.

Die Rezeption von Viveiros de Castros Arbeiten ist in Südamerika, Frankreich und den anglo-amerikanischen Ländern seit einigen Jahren intensiv im Gange und geht weit über die Grenzen seiner Disziplin hinaus. Philosophie, Psychoanalyse und politische Theorie lassen sich von Begriffen wie »Perspektivismus«, »potentieller Affinität« und »ontologischem Raubtierverhalten« inspirieren. Ein vom wilden Denken verwildertes Denken zeichnet sich ab.