Kaum ein Thema ist in der Spinoza-Forschung so kontrovers diskutiert worden wie Spinozas Position zu/gegenüber der (Offenbarungs-)Religion. Die Beiträge in diesem Band behandeln dieses Thema unter zwei Gesichtspunkten:

Die ‚Systemgestalt‘ der Philosophie Spinozas erschließt sich, so die These des ersten Beitrags, als das Projekt, sämtliche dem Menschen aufgegebenen ethischen und religiösen Fragen unabhängig von aller positiven Offenbarung aus dem Denken allein zureichend zu beantworten und damit die ‚Suffizienz‘ der Vernunft und ihre Selbständigkeit gegenüber aller Theologie zu demonstrieren. Als ‚Hermeneutik‘ der Heiligen Schrift ist sie der Versuch, die ‚Einheit der Wahrheit‘ in allen geschichtlichen Ausprägungen der Tendenz nach zu erweisen und die philosophische Wahrheit mit der theologischen Tradition rückzuvermitteln.

Der zweite Beitrag zeigt, wie sich Spinoza in die innerprotestantische Debatte um das Schriftprinzip so einschreibt, dass sein Ansatz paradigmatisch geworden ist für die liberale Theologie aller Konfessionen (und Religionen?). In sachlich scharfer Abgrenzung vom – rezeptionshermeneutisch innovativen – radikalrationalistischen Ansatz seines Freundes Lodewijk Meyer arbeitet Spinoza schließlich den epistemologischen Charakter historischen Wissens heraus.