Eine umfassende Lektüre und wissenschaftshistorische Reflexion kennzeichnen die Studie über Rilkes »Malte«. Sie bietet eine innovative Einführung in das zentrale Prosawerk der klassischen Moderne.

Bereits im Titel benennt Rilke die Form: Es handelt sich um Aufzeichnungen. In den 71 kurzen Texten greift er verschiedene prosaische und lyrische Gattungen auf. Mit der heterogenen Form ist die Frage verbunden, die die Forschung von den Anfängen bis heute beschäftigt: Lässt sich von einem Werkganzen sprechen? Und wenn ja, was eint die Abschnitte? Kristin Bischof zeigt in einer Neuinterpretation, dass die »Aufzeichnungen« als ein durchgehender Gedankengang konstruiert sind, der vor dem Hintergrund des literarischen Symbolismus verständlich wird. Anders als bisher interpretiert, reflektiert der Protagonist Malte Laurids Brigge keine philosophischen und religiösen Themen, sondern entwirft die Genese eines Dichters. Aus Bischofs paralleler Analyse des Briefwechsels mit Lou Andreas-Salomé geht hervor, wie Rilke diese konsequent poetische Reflexion im Kontrast zur philosophisch-psychologischen Haltung seiner Freundin begründet.
Die kritische Hermeneutik leitet Bischof in ihrer Lektüre, die sich die reiche und kontroverse Interpretationsgeschichte ständig vergegenwärtigt. Grundlegende Forschungspositionen werden in ihrem historischen Kontext dargestellt und bilden so den Ausgangspunkt für künftige Diskussionen.