In der Volkswirtschaftslehre weitgehend vergessen ist, dass Max Weber Ordinarius für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft war. Nun liegt endlich eine kritische Edition seiner bisher unveröffentlichten Vorlesungen über Praktische Nationalökonomie (Volkswirtschaftspolitik) vor. Es finden sich dort erste Spuren jener Beiträge, die in den Wirtschafts- und Sozialwissenschaften bis heute eng mit dem Namen Max Webers verbunden sind - die Werturteilsfrage, die idealtypische Methode, der Entstehungszusammenhang zwischen protestantischer Ethik und Kapitalismus. Andererseits zeigt sich in diesen Vorlesungen ein leidenschaftlich politischer Kopf, nach dessen Überzeugung die deutsche Volkswirtschaftspolitik sich auf der Grundlage einer Liberalisierung und Demokratisierung nach Innen ganz in den Dienst der Machtinteressen der Nation zu stellen hat. So begegnet uns Max Weber in diesen Vorlesungen mit jener irritierenden Ambiguität aus kühler Ratio und eruptivem Engagement, die schon seine umstrittene akademische Antrittsrede über den "Nationalstaat und die Volkswirtschaftspolitik" bestimmt hatte. Im Einzelnen analysiert Weber zunächst die in der Geschichte vorherrschenden wirtschaftspolitischen Systeme und Ideale und behandelt danach die Hauptzweige der Praktischen Nationalökonomie, die Bevölkerungs-, Handels-, Verkehrs- (einschließlich Geld, Banken und Börsen) und Gewerbepolitik. Max Webers Vorlesungen der Jahre 1895 bis 1899 sind als handschriftliche Manuskripte in charakteristischen Stichworten und Halbsätzen überliefert und nun erstmals durch die wissenschaftliche Transkription zugänglich. Eine ausführliche Einleitung, Editorische Berichte, ein biographisches Personenverzeichnis, ein Glossar, eine Übersicht der von Weber genutzten Literatur sowie eine CD-Rom zur Textsuche erleichtern dem Leser den Zugang. Mit diesem Band wird die Printausgabe der Max Weber-Gesamtausgabe abgeschlossen.