Obwohl Rom in der christlichen Erinnerung als Hotspot der Christenverfolgung verankert ist, gab es in der Stadt selbst zunächst keine dementsprechenden literarischen Traditionen. Erst ab dem späten 4. Jahrhundert entstanden eine Reihe von Märtyrerlegenden, die als Zeugnisse für die sich allmählich in Rom ausprägende Vorstellung von der heroischen Frühgeschichte des dortigen Christentums gelten können, das nach diesen Legenden sehr früh bis in die senatorischen Kreise vorgedrungen ist.

Die Texte lassen einen tiefen Einblick in die Frömmigkeit, Mentalität und theologische Bildung der späten Autoren und ihrer Adressaten zu, besonders der römischen Asket(inn)enkreise und des wohlhabenden senatorischen Adels der Spätantike. Sie reflektieren zum Beispiel das in diesen Kreisen virulente Verhältnis zum Reichtum und zu den weiter bestehenden nichtchristlichen Religionspraktiken, die Frage der Vorsehung und immer wieder die Rolle und Bedeutung sexueller Enthaltsamkeit aus religiösen Gründen. Da eine ganze Reihe der Legenden, zum Beispiel zu Agnes, Caecilia, Laurentius oder Sebastian, eine reiche Wirkungsgeschichte, insbesondere im kunstgeschichtlichen Bereich, erfahren haben, sind sie nicht nur für Historiker von Interesse, sondern auch für weitere kulturwissenschaftliche Disziplinen.