Darf eine Friedensbewegung unter gewissen Umständen militärisches Eingreifen als legitimes Interventionsmittel betrachten? Diese Frage provozierte der geschäftsführende Vorstand der deutschen Pax-Christi-Sektion in einer öffentlichen Stellungnahme, als im Sommer 1995 vor allem das Massaker von Srebrenica die Öffentlichkeit aufgeschreckt hatte. Er überlegte, ob eine Militärintervention der Nato in den Konflikt kategorisch abzulehnen oder unter gewissen Umständen als legitimes Interventionsmittel anzusehen sei. Einige Tage zuvor hatte sich bereits der Generalsekretär der Sektion in ähnlicher Weise geäußert. Diese in öffentlichen Stellungnahmen aufgeworfene Frage löste innerhalb der Sektion einen Streit über das zugrunde liegende Gewaltfreiheitsverständnis aus und stellte die deutsche Pax-Christi-Sektion vor eine Zerreißprobe. Die Autorin untersucht diesen Streit, indem sie diskursanalytisch der Frage nachgeht, welchen Charakter die Gewaltfreiheitsdebatte hatte und inwiefern diese Debatte eine Frage der Sache, eine Frage der Identität oder eine Frage der Macht war. Dazu stellt sie die vorgebrachten Argumente für oder gegen eine Militärintervention vor und fragt nach dem Selbstverständnis sowohl der beteiligten Akteure als Angehörige der katholischen Friedensbewegung als auch von Pax Christi an sich. In einem weiteren Schritt analysiert sie die Konfliktstruktur und beleuchtet das Rollenverständnis zentraler Akteure, die Sprache in der Debatte und den Umgang der Sektion mit dem Konflikt.