Die antike Rhetorik dient nicht nur der Produktion und Rezeption von Texten, sondern ist auch Teil des Erziehungswesens der Antike. Wer in der Beredsamkeit Unterricht anbietet, muss sein Selbstverständnis darstellen und für sich werben, besonders wenn er mit den Angeboten anderer um die Gunst der Schüler konkurriert – diese Werbung für Rhetorik wird unter dem Begriff Protreptik zusammengefasst. In literarisch geformten Texten entsteht ein eigenes Motiv der Protreptik zur Rhetorik, als in Griechenland Redner und Redelehrer beginnen, in Auseinandersetzung mit der Sophistik und der Philosophie für ihr Angebot zu werben.


Roderich Kirchner zeigt, dass sich, ausgehend insbesondere von Isokrates, eine wirkmächtige Tradition herausbildet, die in der römischen Literatur seit Cato dem Älteren erstmals sichtbar wird, in Ciceros Werken ihren Höhepunkt erreicht, aber auch in der frühen Kaiserzeit bei Seneca dem Älteren noch angewendet wird. Dabei werden die Motive kontinuierlich den veränderten literarischen, politischen und sozialen Bedingungen angepasst, so dass diese Tradition in einem mehrdimensionalen, situativen Prozess umgestaltet und so lebendig gehalten wird.