Auf dem Dachboden eines alten denkmalgeschützten Armenhauses (irgendwo dieser Tage in Brandenburg) findet sich gut versteckt die Übersetzung des sogenannten Lazarusevangeliums. Der Fund stammt vom Ende des 18. Jahrhunderts und ist Teil des Herzensbriefwechsels zwischen Amadeus Müller aus Marzahna und seinem Freund und Superintendenten Samuel Uschmann aus Zahna. Diese beiden Personen sind historisch übrigens verifizierbar.

Warum war die Handschrift erstens versteckt? Und warum wurde sie zweitenswiedergefunden?

1. Versteckt, weil sie 38 Perikopen birgt, welche von Blumen handeln, unter denen und durch die der Meister (ist es tatsächlich Jesus?) mit seinen Schülern wandelt und redet - und neue Jesusgeschichten waren auch im 19. Jahrhundert zwar erbaulich, aber bekanntlich nicht kanonisch.

(Der Übersetzer war sich unsicher - und der Dachboden als Versteck sicher. Aber dann kam der Tod herbei - zurück blieben geduldige Papierblätter. Geht es bei deren Inhalt etwa sogar um mündliche Geheimoffenbarung, oder ist das Ganze eben doch nur der Witz eines Landgeistlichen mit zu viel Phantasie?)

2. Wiedergefunden, weil das Haus samt Dachboden und Fundament abgerissen werden soll - doch man hat auf dem Dachboden vorher noch einmal nachgesehen ... und siehe da, - es fand sich ein verstaubtes Manuskript.

Dem Leser bieten sich also achtunddreißig mysteriöse Geschichten an. Jesus bittet seine Schüler, ihn noch einmal zu begleiten - und zwar soll die Reise zum Weib des Judas gehen. Es gälte, diese bedauernswerte Frau zu trösten. Spannung baut sich auf, - was könnte das wohl für ein Trost sein ...

Die Jünger fügen sich nur ungern - aber gehen mit. Sie lernen sich nun von jenen Seiten kennen, welche von den bekannten Evangelien bisher nicht hervorgehoben worden sind. An achtunddreißig floralen Orten, die kurioserweise die Bach-Blüten-Theorie des Dr.Edward Bach als Hintergrund zu haben scheinen (kannte Bach womöglich bereits eine Variante des Lazarusevangeliums?), kehren sie innerhalb der Tage zwischen Ostern und Himmelfahrt im Freien bei sich selbst ein. Schließlich entweicht ihnen der Meister. Ausgerechnet in einem Mohnfeld. Mohn als neununddreißigste Blüte ... seltsame Himmelfahrt.

Eine Sammlung von diversen Meinungen über das Lazarusevanglium schließt das kleine Bändchen ab und diese Sammlung von Urteilen, Gesprächen (und Bildern?) gehört mit zur Handlung: Der ewige Streit darüber, was Jesus gesagt hat, nicht gesagt hat und nicht gesagt haben dürfte ...