Diese Arbeit wirft einen bisher ungewohnten Blick auf das Werk von Arno Schmidt und besonders auf den Kurzroman Aus dem Leben eines Fauns. Standen zu Beginn der Schmidt-Forschung zu diesem Roman Einzelstellenanalysen und begriffliche Erläuterungen im Fokus, so widmeten sich weitere Ansätze der Rezeptionsgeschichte literarischen Expressionismus im Werk Schmidts, vor allem seiner vielen Adaptionen an die Dichtungssprache August Stramms. Auch hat es nicht daran gefehlt, den Roman in die autopoetischen Selbstdeutungen seines Autors einzuordnen.
Diese Arbeit geht bewusst einen anderen Weg: Sie stellt einen Bezug zum Otto-Mueller-Komplex im Werk Arno Schmidts her, wobei Betrachtungsweisen einer seit den 1990er Jahren sich abzeichnenden Bildwissenschaft einbezogen werden, die auch die Literaturwissenschaft zu einer Erweiterung ihres Bildbegriffs angeregt hat.
Es geht dieser Arbeit um die 'Übersetzung' von Bildsujets und ihre Funktion als Bildgeber oder Bildspender in verbalen Beschreibungen oder szenischen Auflösungen des Dargestellten. In Analogie zu einer in der Sprachphilosophie als Sprechakt bezeichneten Handlungssequenz soll dieser Vorgang als ein energetischer Bildakt beschrieben werden.
Auf dem Hintergrund der Berührungslinien der expressionistischen Kunst Otto Muellers mit einem literarischen Werk der frühen 50er-Jahre werden Arno Schmidts Annäherungen an die mythologische Figur des Fauns und die 'Faun-Werdung' seines Protagonisten in ihrer Verknüpfung mit einem Bildakt auf eine neue Weise interpretiert. Weiterhin soll auch im Sinne des Schmidt’schen Diktums vom 'nachgesickerten Material' ein Seitenblick auf Arno Schmidts Zwischendomizil der Darmstädter Jahre geworfen und sein Briefwechsel mit Emmy Mueller, der ältesten Schwester des Malers, dokumentiert werden.
Der Schlussteil der Arbeit beleuchtet die Nachwehen der faunischen Bildbegegnung mit Otto Muellers Gemälde Mädchen im Grünen im Spätwerk Schmidts.