Migration über weite Distanzen war in der Vormoderne die absolute Ausnahme; nur wenige Fernhändler oder Missionare fanden den Weg in andere Regionen oder Kulturräume. Umso bedeutsamer ist deshalb, dass die dynastische Organisation des Frühmittelalters auf Heiratsmigrationen angewiesen war: Fürsten, Könige, Kaiser, bei denen die Herrscher immer wieder durch Geburt in derselben Familie bestimmt wurden, mussten Ehefrauen aus benachbarten oder fernen Regionen, aus teils ganz anderen Kulturräumen suchen. Diese Heiraten hatten einen immensen politischen Zweck: Sie sollten dazu beitragen, Konflikte zwischen Reichen beizulegen, Kriege zu vermeiden oder Allianzen gegen Dritte zu bilden; sie wurden auch geschlossen, um Erbansprüche zu begründen und die räumliche Erweiterung von Herrschaften zu erreichen. Die Herrscher-Heiraten des Frühmittelalters bedeuten den Beginn der europäischen Diplomatie und sind ein Schlüssel zum Verständnis des dynastischen Mittelalters.