Die Informationen des Ministeriums für Staatssicherheit beleuchten wesentliche Vorgänge des Jahres 1968: Während sich das SED-Regime etabliert sieht und daran geht, dem Land eine neue, »sozialistische« Verfassung zu geben, muss das Sicherheitsministerium sich nicht nur mit Widerständen gegen die darin verankerte Beseitigung der bislang noch bestehenden bürgerlich-demokratischen Hülle beschäftigen, sondern zugleich mit dem Einfluss unsteuerbarer Vorgänge in der Nachbarschaft. Die Studentenunruhen in Warschau, Prag und Westberlin finden ein vielfältiges Echo auch in der DDR. Der Liberalisierungsprozess des Kommunismus in der CSSR trifft vielerorts auf lebhafte Zustimmung, die Besetzung des Landes durch die Truppen des Ostblocks am 21.8.1968 stößt auf mannigfaltigen Widerspruch. Intensiv sucht das MfS nach den Ursachen des Protests, den sie nur aus den medialen Einflüssen des Westens und der Dissidenten zu begreifen vermag, wobei sie Letztere wiederum als ausländische Agenten hinzustellen bestrebt ist. Die Kirchen – durch die neue Verfassung ebenso aus ihrer gesamtdeutschen Verfasstheit vertrieben wie zum Fremdkörper der DDR-Gesellschaft definiert – ringen ihrerseits um ein neues Selbstverständnis, das 1969 in die Gründung des Bundes evangelischer Kirchen der DDR mündet.

Der Bearbeiter:
Dr. Bernd Florath ist wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Bildung und Forschung des BStU in Berlin.