Die Klage Hartmanns von Aue ist das am wenigsten beachtete seiner Werke. In dieser Arbeit beleuchtet der Autor erstmalig, wie Hartmann zwei bestimmende Diskurse des Mittelalters zusammenführt: die höfische Minne und die christliche Anthropologie. Hierzu synchronisiert er die höfische Minne mit der augustinischen Gnadenlehre, deren konzeptueller Vorbildcharakter für die Klage bisher unbeachtet blieb. Das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Mann und Frau im Minnedienst der Hohen Minne spiegelt folglich das Verhältnis zwischen Gott und dem glaubenden Menschen wider. Hartmann präsentiert sich so als poeta doctus mit starker Theologieaffinität, der in der Klage eine Symbiose aus zeitgenössischer Literatur, zeitgenössischen Diskursen und einer zeitgenössischen Theologie zu schaffen vermag.