Die europäische Vormoderne kennt zahlreiche Reformen im politischen, religiösen, gesellschaftlichen, militärischen oder wirtschaftlichen Bereich. Bisher hat sich die Forschung meist nur auf die Träger dieser Reformen konzentriert und zudem oftmals kritiklos deren Deutung der Veränderungen als Verbesserungen übernommen. Vorliegender Band lenkt demgegenüber gezielt den Blick auf die Reformverlierer und -verliererinnen und versucht – aus historischer, psychologischer und theologischer Fachperspektive –, deren Situation unvoreingenommen wahrzunehmen.

Wie gingen Reformverlierer mit der Erfahrung der Marginalisierung um? Wie veränderten sich ihre Selbst-, Welt- und Geschichtsbilder? Ein Verhalten vom passiven Erleiden bis zum aktiven Widerstand war möglich: Reformverlierer konnten sich in die innere Emigration zurückziehen, sich der Wirklichkeit verweigern, die Ungerechtigkeit beklagen und mit ihrem Schicksal hadern oder in die Offensive gehen. Immer aber fanden sie sich in einem grundlegend veränderten Sprach- und Handlungssystem wieder, dessen Normen, Praktiken und Semantiken nicht mehr die ihren waren.