Geschichtsschreibung nicht nur als Konstrukt und als Ergebnis einer Auseinandersetzung mit widerstreitenden Deutungen der Vergangenheit zu betrachten, sondern auch als Prozess der Übersetzung historischer Überlieferungstraditionen, erweist sich für das Verständnis von Chroniken der mexikanischen Kolonialzeit als unumgänglich. Die vorliegende Arbeit untersucht anhand dreier indigener bzw. mestizischer Geschichtsschreiber, Fernando de Alva Ixtlilxochitl, Diego Muñoz Camargo und Hernando Alvarado Tezozomoc, die narrativen Strategien, um die Zeit vor der Eroberung Mexikos aufzuarbeiten. Die Autoren müssen sich dabei nicht nur mit hegemonialen Diskursen des spanischen Kolonialismus auseinandersetzen, sondern auch mit dem zunehmenden Verlust bzw. dem Unverständlichwerden der indigenen Überlieferungen. Daher ist auch Gegenstand der Untersuchung, wie sie ihre eigene Rolle als ‚Bewahrer‘ historischen Wissens reflektieren. Dabei geben sie Aufschluss über die vielfältigen und durchaus widersprüchlichen kulturellen Positionierungen, die koloniale Subjekte als Träger der historischen Überlieferung in Neuspanien einnehmen können. Geschichtsschreibung kann damit nicht als Repräsentation einer als gegeben gedachten ‚historischen Realität‘ verstanden werden. Vielmehr wird die Vergangenheit im Schreibakt erst hergestellt.