Seit dem späten 19. Jahrhundert organisierte sich eine weltweite Temperenzbewegung gegen den Alkoholkonsum. In Argentinien und Uruguay begannen ab Ende der 1870er Jahre als erstes Mediziner insbesondere den massenhaften Konsum von Alkohol unter den eingewanderten Arbeitern aus Europa zu problematisieren. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts engagierten sich dann weltweit vermehrt Frauen gegen den Alkoholismus der Männer. Diese Alkoholgegnerinnen und -gegner unterschiedlichster Couleur initiierten nationale Kampagnen stets im Spannungsfeld zwischen Erwägungen vor Ort und dem Austausch über globale Netzwerke. So standen etwa Aktivistinnen in Montevideo stets mit Gleichgesinnten der US-amerikanischen Temperenzbewegung gegen den Alkoholismus als gemeinsame Bedrohung in Kontakt, versuchten sich jedoch gleichzeitig von den "Schwestern" im Norden abzugrenzen. Sönke Bauck untersucht auf Basis bislang unerschlossener Quellen die Interaktionen und Kampagnen einer globalen Temperenzbewegung am Rio de la Plata – einer Bewegung, die letztlich ein Terrain der Konfrontation und Aushandlung nationaler, kultureller und religiöser Identitäten sowie von Geschlechternormen, Familienmodellen und schließlich auch Weltbildern und Weltordnungsentwürfen war.