Bis vor kurzem schien das hier erstmals veröffentlichte Bläserquintett von 1957 noch das einzige Werk in dieser Formation in Hans Winterbergs (1901-1991) umfangreichem Katalog kammermusikalischer Preziosen. Mittlerweile wurde in seinem Nachlass noch ein weiteres Stück in der traditionellen Besetzung für Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott wiederentdeckt, eine Suite von 1946, entstanden in Prag ein Jahr nach der Befreiung des Komponisten aus dem Konzentrationslager Theresienstadt und ein Jahr vor seiner Emigration nach München. Winterberg, von Haus aus Pianist – er studierte wie Hans Krása bei der angesehenen Prager Klavierpädagogin Therese Wallerstein – komponierte ebenso leidenschaftlich für Streichinstrumente wie für Holz- und Blechbläser und experimentierte mit den unterschiedlichsten und zum Teil überraschendsten Formationen. Überraschend an dem Quintett von 1957 ist die Vehemenz, mit der der Komponist seine tschechisch-österreichisch-jüdisch-deutsche Mehrfach-Identität kompositorisch auslebte, als sei das Werk ein Kommentar zu seiner komplexen und dramatischen Lebensgeschichte: Wenn in allen drei Sätzen das deutsche Kinderlied „Es klappert die Mühle am rauschenden Bach“ in einem dezidiert böhmisch-mährischen, post-Janáčekschen Umfeld herumgeistert, dann kann man das sicher auch als ironischen Wink des Komponisten interpretieren, der sich in den prekären Nachkriegsjahren des Öfteren überlegen musste, ob er sein Geld für das „tägliche Brot“ oder für Notenpapier ausgab.
Schwierigkeitsgrad: 4-5