"Im Zentrum der Frauenromane des 'Goethe-Zeitalters' stehen Stellungnahmen zur Frage weiblicher Bildung.

Die 'Geschichte des Fräuleins von Sternheim' und 'Julchen Grünthal', so Anja Mays These, greifen zentrale Topoi und Denkmuster zeitgenössischer bildungstheoretischer Diskussionen auf, um sie zugleich zu verschieben und umzugestalten. Der Bildungsroman von Frauen um 1800 wird als privilegierter Ort der Auseinandersetzung mit den Brüchen und Widersprüchen aufklärerischer Bildungstheorien kenntlich. Während Romane wie Goethes 'Wilhelm Meister' oder Thomas Manns 'Zauberberg' schon längst dem Kanon erziehungstheoretisch bedeutsamer Literatur zugerechnet werden, blieben die Texte Sophie von La Roches und Friederike Helene Ungers in dieser Hinsicht gänzlich unbeachtet. Anja May lotet das Spannungsfeld zwischen Hermeneutik und Dekonstruktion aus, das sowohl in den Erziehungs- als auch in den Literaturwissenschaften die Diskussion über den Bildungsroman strukturiert.
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