Die Reihe e-Culture wurde zu Beginn des Jahres 2004 auf Initiative des European Research Network Cultural Diversity and New Media (CultMedia) begründet. Anliegen des Netzwerks ist die weitergehende Analyse der Veränderungen kultureller Praxen (etwa Nutzungsmuster, Nutzungsmotivationen und Nutzungssituationen), die im Zusammenhang mit der Anwendung der so genannten Neuen Medien, vor allem des Internet stehen. Die Forschung zur netzbasierten Kommunikation hat sich in den letzten Jahren ähnlich rasant entwickelt wie das Internet selbst. Die Relevanz dieses relativ neuen Forschungsfeldes ergibt sich auch aus der großen Bedeutung, die dem Internet für mehrere wichtige gesellschaftliche Trends (wie z. B. die Globalisierung) beigemessen wird. Der Wandel, der aus diesen Trends folgt, wird oft als ein umfassender Kulturwandel eingeschätzt, mit Auswirkungen auf alle Lebensbereiche moderner Gesellschaften.
Infolge seiner disziplinären Zusammensetzung konzentriert sich das Netzwerk in seiner Arbeit die philosophische und kulturwissenschaftliche, auf die psychologische und sozialwissenschaftliche sowie auf die kommunikations- und informationswissenschaftliche Ebene. Fokus der Untersuchung ist dabei stets die Frage, wie die Möglichkeiten und Auswirkungen des Internet hinsichtlich neuer Formen der Information, Kommunikation und Kooperation im Bereich der "Kultur des Alltäglichen" einzuschätzen sind.
Die Reihe e-Culture dient der Vorstellung von Forschungs- und Arbeitsergebnissen im Bereich Neue Medien und Kultur. Sie soll einen Kristallisationspunkt für auf diesem Gebiet Tätige darstellen – innerhalb wie außerhalb des CultMedia-Netzwerks.Der vorliegende sechste Band Netzbasierte Kommunikation, Identität und Gemeinschaft basiert einerseits auf Beiträgen, die zum CultMedia-Workshop "Netzbasierte Kommunikation und das Verhältnis von Identität und Gemeinschaft" gehalten wurden. Dieser Workshop fand im April 2004 an der Universidad del País Vasco/Euskal Herriko Unibertsitatea in San Sebastián, Spanien, statt. Anderseits wurde der Band um weitere Beiträge ergänzt, die die Thematik inhaltlich abrunden.
Der durch die Entwicklung von digitalen Medien und computervermittelter Kommunikation induzierte Formwandel kultureller Praxen (etwa in Form von Kommunikationsmustern oder eingeübten Handlungsvollzügen) verläuft nun nicht einfach technikinduziert, sondern verbunden mit wechselbezüglichen gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen, wie Globalisierung, Individualisierung, Modernisierung, Komplexitäts- und Kontingenzsteigerung sowie Wertewandel.
Die im vorliegenden Band zusammengeführten Beiträge machen mehreres deutlich. Netzbasierte Kommunikation als technische Neuerung kann nicht losgelöst von der makrotheoretischen Kulturentwicklung gesehen werden. Die Veränderungen der modernen Lebensführung sind vielfältig. Sie haben ihre Ursache nicht nur oder vorrangig in der Entstehung neuer technischer Artefakte. Vielmehr ist es ein komplexer Mix aus vielen sozialen, politischen und technischen Faktoren, der Veränderungen bewirkt oder verhindert. Netzbasierte Kommunikation ist damit nur ein Faden im "Gewebe" Kultur. Kulturelle Veränderungen ergeben sich nicht automatisch durch neue (z. B. technische) Möglichkeiten, sondern diese sind von den Kompetenzen und dem Sinnverständnis der Nutzer abhängig (das wiederum von der Kultur wesentlich mitbestimmt wird). Die wesentlichen sozialen und kulturellen Wirkungszusammenhänge des Internet rühren weniger von seinen technischen Eigenschaften her, sondern von der Tatsache, dass Menschen es zu einem alltäglichen und sozialen Interaktionsraum machen.
Ein genereller Kommunikationswandel durch netzbasierte Kommunikation kann indes noch nicht festgestellt werden. Zwar werden durch netzbasierte Kommunikation in der Tat einige Barrieren der face-to-face Kommunikation aufgehoben, aber dafür entstehen an anderer Stelle neue. Die als neu gewonnen geglaubte Gleichheit der Teilnehmer in netzbasierten Kommunikation etwa kann nicht bzw. kaum verwirklicht werden. Viele der veröffentlichten Ideen zur Gemeinschaftsbildung basieren vor allem auf einer (unzulässigen!) Extrapolation der technischen Möglichkeiten ins Soziale. Erst im Zeitverlauf wird sich herausstellen, welche Kommunikationsmuster für welche Gruppierungen oder Teilöffentlichkeiten als stabil (und damit wirkmächtig) identifiziert werden können. Die Botschaft dieses Buches ist, dass das auch für sich verändernde Muster individueller Identitätsbildung (im Verhältnis von personaler und sozialer Identität) sowie der Bildung von Gemeinschaften (als Assoziation zusammen lebender, interagierender oder miteinander kommunizierender Personen) zutrifft …