Dieses Buch befasst sich mit einem ungewöhnlichen Projekt: Von 1979 bis 1990 lebten im Kinderheim Bellin/DDR zwischen 80 und 130 namibische Flüchtlingskinder. Die Untersuchung rekonstruiert die Geschichte dieses Kinderheims; Schwerpunkte bilden dabei die institutionelle wie die pädagogisch-konzeptionelle Entwicklung.
Auf Bitten der namibischen Befreiungsbewegung SWAPO waren die Vorschulkinder in einer akuten Krisensituation zunächst vorübergehend in der DDR aufgenommen worden, blieben dann aber bis zur Unabhängigkeit Namibias. Sie besuchten in der DDR die Schule; weitere kamen hinzu, und schließlich verließen im Jahr 1990 knapp 400 namibische Kinder und Jugendliche die DDR.
Die SWAPO initiierte dieses Projekt und schließlich auch sein Ende. Die SED entschied die Grundlagen und Rahmenbedingungen entlang ihrer außenpolitischen Schwerpunkte, nämlich der Unterstützung der Befreiungsbewegungen in Afrika. Das Ministerium für Volksbildung war mit der Durchführung des Projektes beauftragt und verstand seine Aufgabe dabei mehr als organisatorische denn als pädagogische Herausforderung. Innerhalb weniger Jahre wurden die Richtlinien festgeschrieben, ohne die Bildungsideen der SWAPO zu erörtern, besondere pädagogische Planungen zu erstellen oder die spezielle Situation der Kinder zu berücksichtigen. So wuchsen die Kinder in einer von Deutschen geprägten Umgebung auf und das eigentlich formulierte politische Ziel, sie zu namibischen Patrioten zu erziehen, rückte in unerreichbare Ferne.