Bis heute ist Judas in der abendländischen Kultur ein Begriff, der vor allem negative Assoziationen weckt (Verrat, Geldgier, Skrupellosigkeit), zu allen Zeiten aber auch Interesse auf sich gezogen und Spekulationen provoziert hat.
Die phonetische Ähnlichkeit zwischen dem Namen des Christusjüngers und dem Ethnonym "Jude" legt daher die Erwartung einer antisemitischen Instrumentalisierung der Judasgestalt durch die Nationalsozialisten denkbar nahe; und tatsächlich lassen sich in den Progagandatexten beide Richtungen nachweisen: Besonders das antisemitische Wochenblatt "Der Stürmer" diffamiert einerseits die Juden rassisch so, dass jeder von ihnen zu einem "Judas" wird und stylt die Figur des Judas Iskariot anderseits durch rassisch diffamierende Attribute so zurecht, dass er der Prototyp eines jeden Juden werden kann.
Bislang hat diese Facette der antisemitischen Demagogie in der Wissenschaft erstaunlich wenig Beachtung gefunden, obwohl sie das Feindbild vom 'geldgierigen, skrupellosen Juden' spätestens seit dem Mittelalter genährt und begleitet hat.