Die Stadt Luzern gehörte im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit zu den wichtigsten Zentren der Schweizer Theaterkultur. Die über 160-jährige Tradition des Luzerner Osterspiels findet selbst im internationalen Vergleich kaum ihresgleichen und die glanzvolle Aufführung von 1583 stellt 'ohne Frage die höchstentwickelte Bühnenleistung in der gesamten Geschichte des mittelalterlichen deutschsprachigen Dramas dar' (Blakemore M. Evans).

Bemerkenswert ist nicht zuletzt die reiche Überlieferung dieser Tradition: Eine Fülle von Texten, Bühnenrödeln, Angaben über Technik und Inszenierung, Bühnenplänen, Kostümverzeichnissen, Spielerlisten, Gesangsheften mit Noten und detaillierten Abrechnungen, gesammelt und archiviert vom Luzerner Stadtschreiber und Spielleiter Renward Cysat (1545–1614), erlaubt theatergeschichtliche Einblicke von einmaliger Tiefenschärfe. In der vorliegenden Arbeit wird diese Dokumentensammlung, systematisch gestützt und geprüft durch andere Quellen, erstmals für eine Darstellung des gesamten Gefüges der szenischen Vorgänge und theatralen Handlungen in der Stadt herangezogen. Dies erlaubt auch die Erfassung und Beschreibung von obrigkeitlich nicht sanktionierten, verpönten oder verbotenen Spielformen wie Marktplatzspektakeln, brauchtümlichen Schaustellungen und volkskulturellen Aktivitäten aller Art.