Im Spätmittelalter wurde Geschichte zum festen Bestandteil der Politik. Gerade kommunale Regierungen im süddeutschen Raum integrierten Historie, die 'wahre Erzählung geschehener Ereignisse',routiniert in ihr politisches Handeln.

Die Autorin nimmt den Bestand aller Geschichtswerke auf, welche die Städte Freiburg, Bern, Luzern, Zürich und Basel zwischen 1350 und 1550 finanzierten. Neben den bekannten Chroniken etwa von Conrad Justinger in Bern oder von Diebold Schilling in Luzern zählen dazu Einträge in den Stadtbüchern, Lieder, Inschriften und Historienbilder. Die systematische Erhebung ermöglicht die Identifikation der Grundlagen, auf denen Historie ihre politische Wirkung zu entfalten vermochte. Zentral sind dabei die Wahrheitsbehauptung der Gattung und das Verhältnis zwischen Autoren und Obrigkeit. Dies zeigt die detaillierte Rekonstruktion der Entstehung der amtlichen Berner Chronik von Valerius Anshelm. Die Wechselwirkungen von Politik und Historie lassen sich paradigmatisch in der frühen Reformationszeit aufzeigen. Die Waffengänge von 1528 bis 1531, vom Zug der Unterwaldner in Berner Gebiet bis zum zweiten Kappelerkrieg, und die anschliessenden rechtlichen Auseinandersetzungen wurden von einem intellektuellen Kampf begleitet, der entscheidend auf den Gebrauch von Historie abstützte.
Die Ableitung der politischen Funktionen von Geschichte aus dem Ineinandergreifen von Gattungsspezifika, Produzenten, Rezipienten und Ereignissen öffnet die Perspektive auf die longue durée staatlicher Geschichtspolitik, in der das Spätmittelalter von entscheidender Bedeutung ist.