Während in Berlin die Nationalsozialisten mit den Olympischen Spielen einen bedeutenden Erfolg ihrer Propaganda feiern, erreicht der Dirigent Joseph Rosenstock im August 1936 die japanische Hauptstadt Tokyo, wo er von den Musikern des Neuen Sinfonieorchesters begeistert empfangen wird. Dass seine neue Wirkungsstätte, die er bald als seine „zweite Heimat“ empfindet, zum zehnjährigen Mittelpunkt eines Lebens im Exil wird, hat er zu diesem Zeitpunkt wohl kaum geahnt. Die Karriere des 1895 in Krakau
geborenen Dirigenten hatte nach Stationen als Generalmusikdirektor in Darmstadt und Wiesbaden und nach einem gescheiterten Engagement an der New Yorker Metropolitan Opera mit seiner 1933 aus „rassischen“ Gründen erfolgten Entlassung am Nationaltheater Mannheim einen entscheidenden Wendepunkt erreicht. Für die japanische Musikwelt war das Engagement ein Glücksfall und erwies sich bald als ein von gegenseitigem Respekt geprägter Kulturtransfer der besonderen Art. Nach dem Ende des Krieges zog es
Rosenstock auf die „große Weltbühne“. Vor allem in New York fand er als Chef der City Opera und in den 1960er Jahren als Dirigent an der Metropolitan Opera internationale Beachtung. Willkommene Gastspiele an seinen alten Wirkungsstätten gab es durchaus. Zu einer dauerhaften Rückkehr des Exilanten kam es indessen nicht mehr.