Die Rechtsgeschichte des Britischen Empire steht noch am Anfang. Das von Prof. Stefan Vogenauer am Max-Planck-Institut für Rechtsgeschichte und Rechtstheorie geleitete Forschungsfeld Legal Transfer in the Common Law World widmet sich der wissenschaftlichen Untersuchung und Analyse dieser Thematik. Im Jahr 2021 fand an der National University of Ireland, Maynooth die dritte Legal Histories of Empires Conference statt. Stefan Vogenauer und Donal Coffey organisierten dort einen Teil des Programms, der sich mit der Forschung auf dem Gebiet des Rechtstransfers in der Welt des Common Law befasste. Dieser Band ist daraus hervorgegangen.
Der Sammelband vertritt die These, dass ein vergleichender Ansatz juristische und ahistorische Einseitigkeiten überwinden kann, die in der Rechtsgeschichte von Imperien noch immer häufig anzutreffen sind. In einem imperialen rechtlichen Überbau wie dem Britischen Empire (bzw. den Britischen Empires) wurden Gesetzgebungs- und Auslegungsmodelle selbstbewusst übernommen und an verschiedene Rechtsordnungen angepasst. Darüber hinaus hat der Prozess der Dekolonisierung Ähnlichkeiten und Unterschiede in der rechtlichen Entwicklung dieser Gebiete offenbart. Nützliche Erkenntnisse lassen sich aus einem Vergleich verschiedener Methoden gewinnen, die sich mit einem ähnlichen normativen Rahmen zwischen und innerhalb von Gesellschaften sowie ihrer Beziehung zur Umwelt befassen.
Der Band besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil werden vier Fallstudien zu Rechtstransfers in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Das Kapitel von Philip Girard zeichnet die Entwicklung des Gesetzes zur Arbeitgeberhaftung für verletzte Arbeitnehmer in Quebec nach. Matilde Cazzola untersucht die Entwicklung des „Schutzprinzips“ und seine Anwendung aus vergleichender Sicht, mit besonderem Augenmerk auf das Vereinigte Königreich und die australischen Kolonien im 19. Jahrhundert. Scott A. Carrière befasst sich mit der Rechtsentwicklung im kolonialen Neufundland und insbesondere mit dem Verhältnis zwischen Vertragsrecht, charters und Company States. Mit Blick auf Hongkong analysieren Christopher Roberts und Hazel W. H. Leung die rechtliche Entwicklung im Umgang mit „Landstreichern“ bzw. Vagabunden.
Der zweite Teil enthält eine Reihe von Beiträgen, die sich mit dem zunehmend bedeutsamen Feld der Rechtsgeographie im imperialen Kontext befassen. Dieser Teil basiert auf der ERC-Gruppe ‘Property [In]Justice’ am University College Dublin, die von Amy Strecker geleitet wird. Es enthält Kapitel über die Karibik von Amanda Byer, das südliche Afrika von Sonya Cotton, Kenia von Raphael Ng’etich und ein Kapitel von Sinéad Mercier über Irland.
Die verschiedenen behandelten Rechtsgebiete – u.a. öffentliches Recht, Arbeitsrecht, Bodenrecht – verdeutlichen die Aussagekraft der vergleichenden Methode.