Die ersten Gasturbinen, wie wir sie heute kennen, wurden in den 1930er-Jahren von Sir Frank
Whittle in England und Prof. Dr. Hans-Joachim Pabst von Ohain für Luftfahrtantriebe entwickelt.
Aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte eignen sie sich besonders für den Einsatz in der Luftfahrt.
Auch in Spezialschiffen kommen Gasturbinen aufgrund ihrer hohen Leistungsdichte, geringen
Vibrationen, niedrigen Geräuschemissionen und ihrer Kraftstoffflexibilität zum Einsatz. In der
Energieversorgung sind sie insbesondere wegen ihrer kurzen Anlaufzeit im Vergleich zu
herkömmlichen Kraftwerken von Vorteil.
Die Technik der Gasturbine ist mittlerweile weit ausgereift, sodass es nur noch begrenzte
Möglichkeiten gibt, die Leistung und Effizienz weiter zu steigern. Ein anschauliches Beispiel dafür
sind Luftfahrtantriebe. Ursprünglich wurden reine Turbojet-Triebwerke verwendet, später
entwickelte man Bypass-Triebwerke und schließlich High-Bypass-Triebwerke. Durch eine
kontinuierliche Erhöhung des Bypass-Verhältnisses konnte der spezifische Kraftstoffverbrauch
immer weiter gesenkt werden. Inzwischen ist jedoch eine technische Grenze erreicht. Daher rückt
das Lebenszyklusmanagement der Triebwerke zunehmend in den Fokus, um die Effizienz weiter
zu optimieren. Eine zentrale Rolle spielen dabei präzise Modelle zur Simulation des
Betriebsverhaltens von Gasturbinen. Bestehende Modelle weisen jedoch Nachteile auf,
insbesondere in Bezug auf die Flexibilität des Einsatzes und die Nachvollziehbarkeit kausaler
Zusammenhänge. Genau an diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an.
Es wurde ein Modell zur Simulation des Betriebsverhaltens von Gasturbinen entwickelt, das auf
der Systemtheorie und der Bond-Graphen-Methode basiert. Die Anwendung von Bond-Graphen
führt stets zu einem kausalen Modell, bei dem das Produkt aus dem Potential und der Flussgröße
zwischen zwei Knoten eine Leistung ergibt. Die Knoten selbst stellen im Wesentlichen
Verzweigungen, Speicher für kinetische und potenzielle Energie sowie Widerstandselemente dar.
In der Regel werden Potentiale oder Flüsse als Eingangsgrößen vorgegeben, während sich alle
anderen Werte innerhalb des Modells entsprechend einstellen.
Für die Entwicklung des Modells wurde die Gasturbine stärker abstrahiert als in klassischen
Ansätzen. Jede Komponente wird durch ein Gaspfadelement dargestellt, das den
Strömungsverlauf durch die jeweilige Komponente repräsentiert. Basierend auf den
Strömungsparametern über einer Komponente und der Drehzahl aus einem Antriebswellenmodell
lassen sich alle relevanten Parameter zur Bestimmung des Betriebspunktes einer
Turbokomponente ableiten. Die Turbokomponente wiederum wirkt über entsprechende
Schnittstellen auf das Gaspfadelement.
Zur Verifizierung wurde das entwickelte Modell mit einem klassischen
Leistungsrechnungsprogramm verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass das Modell eine
realistische Simulation des Betriebsverhaltens ermöglicht. Allerdings traten Abweichungen
zwischen den Modellen auf, die auf unterschiedliche theoretische Ansätze zurückzuführen sind.
Diese Unterschiede lassen sich jedoch durch geeignete Korrekturfunktionen ausgleichen.