Im Rahmen dieser Arbeit habe ich gesehen, dass alle Kirchen sich sehr große Mühe machen, die Wahrheit zu erkennen und dann auch zu formulieren. Niemand macht leichtfertig Aussagen und das möchte ich hier ausdrücklich anerkennen. Ich sehe aber auch eine nur schwer zu überbrückende Spannung für alle Beteiligten, die systematische Theologie. Seien wir doch mal ehrlich! Kann ich Wiedergeburt und Geisttaufe jetzt wie ein Naturgesetz definieren? Ich weiß zwar jetzt mehr als am Anfang, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass ich zwar versucht habe, die Oberfläche zweier Brillanten von vielen Seiten zu untersuchen, aber letztendlich doch nicht zum Kern vorgedrungen bin. Darüber bin ich allerdings nicht traurig, denn ich bin mir einer Sache bewusst: Die systematische Theologie kann den sich sehr unsystematisch offenbarenden Gott nicht in eine Zwangsjacke hinein formulieren. "Der Wind weht, wo er will“, bezieht sich auf Wiedergeburt und Geisttaufe. Manchmal frage ich mich, ob die systematische Theologie nicht gegen das zweite Gebot verstößt? "Du sollst Dir kein Bild machen!“, was ja auch mentale Bilder mit einbezieht. Der Knackpunkt des zweiten Gebots ist allerdings nicht so sehr die Herstellung von Bildern, denn diese hat Gott manchmal selbst angeordnet, sondern die Anbetung dieser Bilder (2. Mose 20,5). Es besteht also die nicht zu unterschätzende Gefahr, dass am Ende harter, ernsthafter theologischer Arbeit das Ergebnis dieser Arbeit, nicht aber Gott angebetet wird. Dies ist, glaube ich, teilweise die Tragik der Kirchengeschichte.
Da ich die Ernsthaftigkeit der theologischen Arbeit Andersdenkender nicht anzweifele, möchte ich in Zukunft ein offenes Herz und offene Ohren für andere Sichtweisen haben. In meiner Einleitung habe ich schon angedeutet, dass ich vermute, dass alle Sichtweisen zusammengenommen, ein klareres Bild ergeben können. Gott hat offensichtlich vor 500 Jahren angefangen, sein Volk zu den Ursprüngen biblischer Lehre zurückzuführen. Angefangen mit der reformatorischen Lehre der Rechtfertigung durch den Glauben allein, hat Gott verschiedene Gruppen von treuen Menschen gebraucht, um der Welt das volle Evangelium zurückzubringen. Tragischerweise wurden von den meisten am Ende das Ergebnis ihrer theologischen Arbeit mehr angebetet als Gott. Dies machte sie blind, den nächsten Schritt als von Gott gegeben anzunehmen. Jede Bewegung, die so verfahren hat, bekämpfte die nächste Offenbarung Gottes, anstatt sie freudig zu begrüßen. Die Anabaptisten, aus denen unter Menno Simons die Mennoniten entstanden, hatten den konsequenten, nächsten biblischen Schritt begriffen, Wassertaufe ist nur für Gläubige. Sie wurden von den Anhängern der vorangegangenen Offenbarung bis aufs Blut verfolgt, geschändet und getötet. Gott offenbart trotzdem in seiner Treue weiter. Mit John Wesley, Gründer des Methodismus, rücken die Heiligung, aber auch die Tatsache, dass man Gott persönlich erfahren kann, in den Vordergrund. Ein weiterer Schritt in Richtung Normalität war getan, aber hatten es alle mitbekommen? Fast zeitgleich entsteht unter Nikolaus Graf Zinsendorf die Herrnhuter Bewegung. Was waren ihre Schwerpunkte? Koinonia, Gebet und Weltmission! Alles Aspekte eines biblischen Christentums. Ende des 19. und Anfangs des 20. Jahrhunderts entwickelt sich die Pfingstbewegung aus den verschiedenen Heiligungsbewegungen in den USA und Europa. Gott winkt mit einem mächtigen Zaunpfahl: Die Geisttaufe ist ein wichtiges Element, wenn es darum geht, die Welt für Jesus zu erreichen. Was geschah? Die Pfingstler wurden genau von denen verfolgt und bekämpft, die sich Jahrzehnte lang nach mehr von Gott ausgestreckt hatten. Als es dann endlich da war, passte es nicht in ihre theologischen Götzen. Erst heute, nach fast einhundert Jahren, werden Pfingstler in Deutschland salonfähig, obwohl die größte Bekehrungswelle der Kirchengeschichte nachweislich auf ihre Arbeit zurückgeführt werden kann.
Ich hoffe und bete zu Gott, dass ich nicht zu einem theologischen Götzendiener werde, der irgendwann Gottes nächsten Schritt boykottiert. Während meiner aktiven Zeit als Gemeindepastor betete ich regelmäßig, dass der HERR mich davor bewahre, in Irrlehren zu verfallen. Diese Arbeit war in gewisser Hinsicht eine Gebetserhörung, denn die Auseinandersetzung mit den verschiedenen Sichtweisen hat mich sehr bereichert und so hoffe ich, auch etwas ausbalanciert.
Ermutigt hat mich die Tatsache, dass alle Konfessionen eigentlich das Gleiche wollen, wenn sie auch in der Gemeindepraxis nicht immer erleben, Wiedergeborene, geistgetaufte und geisterfüllte Christen. Hier sehe ich einen wichtigen gemeinsamen Nenner und Ansatzpunkt zum interkonfessionellen Dialog.