Durs Grünbein wurde seit dem Erscheinen seiner ersten Gedichtbände als der deutsche Wendepoet wahrgenommen. Nach der frühen Verleihung des Georg-Büchner-Preises 1995 wandte er sich in seiner lyrischen, von zahlreichen poetologischen Äußerungen begleiteten Produktion intensiv der Antike als Sujet zu – eine gut 25 Jahre dauernde Werkphase. Die vorliegende Studie versucht, durch ein ›close reading‹ zentraler Gedichte, wichtige thematische Komplexe in diesem Schaffen Grünbeins zur Antike nachzuzeichnen. Sie interpretiert hierzu in vertikalen und horizontalen Schnitten durch Geschichte und Geografie seiner Texte zur römischen Kaiserzeit sowie über das Mittelmeer, Archäologisches, die Stadt Rom und andere Metropolen, um das offenzulegen, was Grünbein selbst mit dem Schlagwort der »Omnitemporalität« bezeichnet: ein gleichzeitiges Dasein von Motiven, Texten und Autoren, das die Schichtung der Zeiten durchbricht. Durch seine produktive Rezeption wälzt Grünbein, der in der Wertung der heutigen Strahlkraft der Antike selbst zwischen Resignation und Affirmation schwankt, kulturelle Ressourcen um, die immer noch zu einer Konstitution Europas dienen können, eines – wie die Arbeit zeigen möchte – offenen und inklusiven Europas, das sich mit Blick auf die Antike seiner selbst versichert.